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Das vierte Gleichniswunder: Die Heilung des Lahmen.

Vulkan Pichincha, Ecuador
Vulkan Pichincha, Ecuador

Dieses Wunder hat eine zentrale Bedeutung für das Urchris­tentum, es wird – gering variiert – auch von Petrus und Paulus erzählt (Apostelgeschichte 3,1-11; 14,8-18). Im Alten Testament ist die Hilfe für die Lahmen ein Zeichen des Messias und der Endzeit, Micha 4,6f; Zefanja 3,19.

Der Kranke ist wieder das galiläische Volk. Das Volk ist so schwach, dass es keine eigenen Anstrengungen für die Heilung unter­nehmen kann. Es gibt aber Helfer, die Jesus die Hilflosigkeit des Volkes buchstäblich vor Augen führen.

Im Gleichnis besteht die Hilfe Jesu in einem Befehl. In der historischen Wirklichkeit bestand die Hilfe des Statthalters Jesus in dem Befehl, sich selbst zu helfen, Jesus befahl aber nicht nur, er sorgte auch für die rechtlichen und wirtschaftlichen Möglichkeiten, seinem Be­fehl Folge zu leisten.

Jesus sorgte für einen Wirtschafts­auf­schwung, der sich histo­risch nachweisen lässt. Auf die Grün­dung und Besiedlung von Tiberias werde ich in diesem Zusam­menhang noch zu sprechen kommen.

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Das dritte Gleichniswunder: die Heilung des Aussätzigen.

Vulkan Pichincha, Krater
Vulkan Pichincha, Krater

Der Kranke stellt wieder das nichtjüdische Volk von Galiläa dar. Der Aussatz (Lepra) ist eine ansteckende und unheilbare Krank­heit, in der Antike wurde eine strenge Quarantäne durchgesetzt, die Krankheit schloss den Kranken aus der Gemeinschaft aus.

In Gleichniserzählungen dienen der Aussatz und der Aussätzige oft als Symbol für den Ausschluss aus der Gemeinschaft, z. B. aus der religiösen Gemeinschaft (so vermutlich schon 2. Könige 5).

Der Statthalter Jesus will alle Menschen in Galiläa unmittelbar dem Monarchen unterstellen, er braucht alle für den wirtschaft­lichen Aufbau, die Stärkung der Wirtschaftskraft des Fürsten­tums. Jesus will die Barrieren, die von der judäischen Aristo­kratie errichtet wurden, um die galiläische Bevölkerung von den Vorteilen aus der wirtschaftlichen Erholung fernzuhalten, nieder­reißen.

Jesus heilt den Aussätzigen. Das Wunder besteht nicht darin, dass Jesus Naturgesetze durchbrechen kann, sondern darin, das plötzlich jemand in der Lage ist, der nichtjüdischen galiläischen Bevölkerung die gleichen Rechte wie den jüdischen Bürgern einzuräumen.

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8.       Die Maßnahmen des Statthalters Jesus nach Markus 1-2

In Markus 1-2 hat sich – in der Form von Wunder­geschichten – ein Maßnahmenkatalog erhalten, der Jesu Tätig­keit als Statt­halter

Vulkan Pichincha, Krater
Vulkan Pichincha, Krater

zusammenfasst. Die Wundergeschichten sind nicht histo­ri­sche Berichte über Heilungen an Einzelpersonen, sondern Gleich­nis­­erzählungen, die die Tätigkeit des Statthalters Jesus für die ganze Bevöl­ke­rung Galiläas beschrei­ben.

Die erste Heilung gilt dem Mann mit dem unreinen Geist. Der Mann symbolisiert das Volk von Galiläa, der unreine Geist, der es beherrscht, ist die judäische Aristokratie in Galiläa, die ihre Vor­macht­stellung auf ihre angeb­liche Reinheit und die angebliche Unrein­heit der nichtjüdischen Bevöl­ke­rung stützt.

Die Unreinheit der galiläischen Bevölkerung besteht nicht tatsächlich, sie ist nur eine polemische Aussage der judäischen Aristokratie, die die Bevölkerung Galiläas als religiös und sozial minderwertig darstellen will.

Der Geist spricht es aus: Jesus vernichtet die Machtstellung des judäi­schen Adels in Galiläa, der Mann, das galiläische Volk, wird von der Zwischen­herrschaft in Form einer Gerichtsbar­keit des judäischen Adels befreit und ist nun dem Monar­chen direkt unter­stellt.