Der Beginn des Netzwerks der hominiden Gehirne ist das beobachtete Ende des Gehirnwachstums beim Auftreten des homo sapiens vor ca. 250.000 Jahren.
Das hominide Einzelgehirn muss nicht weiter wachsen, weil es mit anderen Gehirnen kommunizieren sowie Aufgaben und Wissensbereiche in die Gehirne anderer Individuen auslagern, mit anderen Worten: weil es ein Netz bilden kann.
Merlin Donald
spricht viel vom Netz und der Notwendigkeit, die Fixierung auf das Individuum
zu überwinden,
Uru-Insel, Dorfplatz, Titicaca-See, Peru
allerdings ist bei ihm das Netz sachlich mit der Stufe der menschlichen Kultur verbunden:
Beim Kind verläuft der Erwerb symbolischer Fertigkeiten von außen nach innen. Deshalb muss ihre evolutionsgeschichtliche Entwicklung in derselben Richtung verlaufen sein. Symbolisches Denken und Sprache sind von ihrem Wesen her Phänomene, die in Netzwerken gründen. Wir können ihre Existenz daher nicht nach dem Modell des solipsistisch abgekapselten Individuums erklären.
Hier ist ein Paradigmenwechsel notwendig. Er muss die herrschenden Theorien der menschlichen Evolution hinter sich lassen, denen zufolge Sprache sich im abgeschlossenen Gehäuse des Gehirns, das heißt von innen nach außen entwickelt hat. (S. 264)
Donald hat
erkannt, dass der wissenschaftliche Blick auf das Individuum oder eine Gruppe
von Individuen ungenügend ist und dass beim Menschen die Beziehungen zwischen
den einzelnen Gruppenmitgliedern entscheidend sind.
Dass Menschen Netzwerke bilden, ist wahrscheinlich keine sehr originelle Idee, sondern vielmehr ein Allgemeinplatz.
Boden, Häuser, Boote aus Schilf, Titicaca-See, Peru
In der Evolutionsforschung ist zwar viel von Gruppen, von Gruppenaktivitäten, von gemeinsamen Aktionen die Rede, aber wenig von Netzwerken.
Im Mittelpunkt
steht das Individuum, das uns in seinen archäologischen Überresten begegnet
und dessen Sprach- und Kulturfähigkeit als Individuum und als Teil der
sozialen Gruppe diskutiert wird.
Der Begriff des
Netzwerks geht insofern über den Begriff der Gruppe hinaus, als mit ihm die einzelnen
Gruppenmitglieder in ihrer Individualität sowie ihre unterschiedlichen
Beziehungen innerhalb der Gruppe thematisiert werden.
Michael Tomasello spricht viel von der Gruppe und von gemeinsamen Aktivitäten und der gemeinsamen Intentionalität der Urmenschen, die Differenzierung in unterscheidbare Individuen mit Netzwerken vermisse ich aber bei ihm.
Robin Dunbar zeigt bei der Ermittlung der Gruppengröße und der Erläuterung dazu, dass er die Anzahl der Beziehungen innerhalb der Gruppe im Blick hat, ohne daraus Überlegungen zu einem möglichen Netzwerk anzustellen.
Das Gehirn eines Individuums, bisher nur für die Integrität des eigenen Individuums zuständig, erhält in der intentionalen Kommunikation die zusätzliche Funktion, den Kontakt mit den Gehirnen anderer Individuen zu ermöglichen und so die eigene Begrenzung zu umgehen.
Damit entsteht
ein evolutiver Funktionswechsel und eine evolutive
Neuheit. Die Gehirne der Individuen der sozialen Gruppe bilden ein
Netzwerk, so wie PC’s ein Netzwerk bilden.
Und wie ein Netzwerk, das aus vielen PC’s besteht, Aufgaben lösen kann, die den einzelnen PC überfordern, so kann ein Netzwerk aus vielen menschlichen Gehirnen größere Aufgaben lösen als ein Einzelgehirn.
Das Netzwerk entsteht, um die natürliche Grenze des Gehirnwachstums (These 11) ein zweites Mal zu umgehen, es entsteht zeitlich vor dem Beginn von Geist und Kultur und ist diesen als deren Voraussetzung auch sachlich vorgeordnet.