136

V  10  andere urchristliche Gruppen

5.10.1.
Viele Aufständische beriefen sich auf Jesus und auf Judas den Galiläer. Diese Christen warfen der Kirche unter Führung der Petrus-Nachfolger

Ephesus, Fußbodenmosaik
Ephesus, Fußbodenmosaik

vor, die ursprünglichen Ideale des politischen Messianismus verraten zu haben, Mk 14,66ff par.

5.10.2.
Die Judas-Christen wurden erst nach dem Scheitern des jüdischen Aufstands 70 n. Chr. aus der sich vereinigenden Kirche ausgeschlossen.

5.10.3.
Da der Messias-Titel ein Herrschertitel war, hatten zuerst die herodiani­schen Fürsten Anspruch auf diesen Titel. König Agrippa I. bemühte sich, als Nachfolger Jesu zu erscheinen.

Wäre der jüdische Aufstand 66-70 n. Chr. erfolgreich verlaufen, hätten die jüdischen Sieger Agrippa II. die Krone des neuen Staates anbieten müssen.

5.10.4.
In Urchristentum gibt es im Gegensatz zum alttestamentlichen Juden­tum keine Hinweise auf eine Integration der Herodes-Familie.

123

5.5.23.
Die Vereinigung der palästinensischen Jesus-Gruppen: In den Jahren nach 70 n. Chr. trennten sich die Jesus-Gruppen von

Troja
Troja

ihren Herkunftsbewegungen, die konfessionellen Gemeinden gingen in der heiden­christlich verfassten Gesamtkirche auf. Die Aufständischen wurden als Verräter gebrandmarkt (Verrat des Judas in den Evangelien, noch nicht bei Paulus) und aus der Gesamtkirche ausgeschlossen. Judentum, Täufer­bewegung und Gnostiker gingen eigene Wege.

Die Traditionen der Jesus-Gruppen fanden ihren Niederschlag in den damals entstehenden Evangelien des späteren Neuen Testaments. Die religiöse Auto­rität verschob sich von den geistbegabten Aposteln hin zu den Ortsgemeinden und den tradierten christlichen Überlieferungen.

5.5.24.
Das Ende der einzelkirchlichen Überlieferungen: Nach 135 n. Chr. wurden die Schriften der Einzel­kir­chen nach Proporz zum neutestamentlichen Kanon zusammen­gefasst, die Überlieferungen der Jesus-Gruppierungen gingen endgültig in der gesamt­kirchl­ichen Über­lieferung auf.

An die Stelle der Reibungen zwischen den alten Jesus-Gruppierungen traten neue Konflikte.

114

5.5.14.
Die Deutung des Todes Jesu als Verrat: Judas. Josephus nennt die Christen Söhne Judas’ des Galiläers, weil er die Christen pauschal der Aufstandsunterstützung bezichtigt. In den

Masada, Touristen
Masada, Touristen

christ­lichen Quellen ist es umgekehrt: Die Beziehung zwischen den Christen und Judas wird nicht geleugnet, aber Jesus ist der Patron und die Aufständischen sind nur Schüler, und zwar unwürdige, weil sie den Feinden Jesu einen Grund liefern, ihn zu töten.

Auch die Meinung der Aufstän­dischen wird in den Evangelien nicht verschwie­gen: In der Szene Verleugnung des Petrus (Mk 14,66ff par) wird Petrus aufgrund seines galiläischen Dialekts als Teilnehmer am Aufstand Judas’ des Galiläers gekennzeichnet, es wird ihm Verrat an der Sache Jesu, die mit der Sache der Aufständischen gleichgesetzt wird, vorgeworfen.

Die Kreuzi­gung von Jakobus und Petrus zeigt, dass die palästinen­sischen Jesus-Bewegun­­gen durchaus nicht immer gewaltfrei waren und die Zusam­men­arbeit mit den Aufständischen nicht grundsätzlich ablehnten. Das änderte sich erst nach dem Ende des jüdischen Aufstands 70 n. Chr.