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11. Jesus als Gott: Das kirchliche und zum verbindlichen Dogma erhobene Denkmodell der Gottheit Jesu

S. Augustin, Quito, Ecuador
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ist das philosophische Modell der vollständigen Trennung der menschlichen und der göttlichen Natur Jesu. Dieses Modell entsprach der religiösen Verehrung des Kaisers Augustus, dessen Menschsein nie in Zweifel gezogen wurde.

Vielmehr sah man im Wirken des Augus­tus als Mensch für Frieden und Wohlstand das gnädige Wir­ken der göttlichen Mächte und wies dem Augustus in der religiösen Verehrung einen Rang unter den Göttern zu.

Im Dogma der Kirche blieb die menschliche Natur Jesu philo­sophisch unangetastet. Dazu gehörten und gehören sein Leiden und seine Eingebundenheit in die Zusammenhänge von Ur­sachen und Wirkungen seines irdischen Lebens, die erforscht und erklärt werden dürfen und können.

Im Wirken des Men­schen Jesus sahen die Christen – wie die Heiden bei Augustus – das gnädige Wirken der Gottheit und wiesen ihm in der religiösen Praxis von Anfang an den Rang eines Gottes zu.

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6. Die Frauengruppen Maria verweigern die mit der Kreuzigung verbundene damnatio memoriae und treten für ein ehren­volles Begräbnis ein, damit die Seele nach dem Tod im Totenreich zur Ruhe kommen kann, vgl. Sophokles, Antigone.

S. Augustin, Quito, Ecuador
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Für die alljährlichen Feiern des Begräbnisses Jesu wird in Jerusalem ein Kenotaph (leeres Grabmahl) errichtet.

7. Ostern: Die Johanneskirche, die Jesus als Vorbild für den Neuanfang zu Lebzeiten angesehen hat, sieht Jesus in Vi­sionen. Hier wird das Reich Gottes innerlich: Jesus ermög­licht einen inneren, psychologisch darstellbaren Neubeginn.

8. Pfingsten: Die Petruskirche sieht die beginnende Fische-Ära als Zeichen des Himmels und Jesus als den geweissagten Herr­scher aus Judäa. Das Reich Gottes wird in die (nahe) Zukunft verlegt und mit der Hoffnung auf eine neue, bessere Schöpfung verbunden.

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16.     Zusammenfassung:
Die Stationen der Jesusverehrung

Das Galiläa zur Zeit Jesu kann als ein verkleinertes Modell des Römischen Reiches

S. Augustin, Quito, Ecuador
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hinsichtlich des Ost-West-Gegensatzes, der sozialen Schich­tung und der geistigen Kultur angesehen werden. Außer­dem erfolgte der Übergang von der Herrschaft der Aristokratie zur Monarchie hier ebenso wie in Rom im Zeitalter des Augustus.

Die Leistung des historischen Jesus bestand darin, dass er Grundzüge einer einheitlichen – später christlich genannten – Kultur für Galiläa schuf, die die kulturellen und sozialen Gegensätze ausglich und die vorbildlich für das Imperium war.

Die religiöse Umsetzung der jesuanischen Kultur erfolgte aber erst durch die Apostel, die literarische Ausformulierung in den Evangelien.

Die Stationen der Jesusverehrung:

1.  Landesvater in Galiläa: Jesus verwirklicht seine Ideale von Wohlstand und Versöhnung in Galiäa, besonders in der Modellstadt Tiberias. Nach dem Vorbild des augusteischen Rom gestaltet er einen antiken Musterstaat. Die Bewohner Galiläas, die Nutznießer seiner Politik sind, ver­ehren ihn.

2. Vom Volk gewählter Tetrarch (Messias) in Caesarea Philippi.

3.  Erhoffter Messias Israels (Aufstand).