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5.2.11.
Jesus wurde 6 n. Chr. Statthalter (Premierminister) des Antipas für Galiläa und Peräa, Mt 4,1-11par; 1 Kön 13. Die Erzählungen

Jerusalem, Grabeskirche
Jerusalem, Grabeskirche

von der Versuchung Jesu berichten von der Teilhabe Jesu an der weltlichen Macht an der Seite des Antipas. Nach dem Zerwürfnis Jesu mit Antipas galt dieser als Teufel, und nach Wendung des Christentums in eine reine Religion ohne politische Ambitionen entsprach die Teilhabe Jesu an der Macht nicht mehr der politischen Korrektheit. Die Christen erzählten nun, Jesu habe diese Teilhabe verweigert und er sei auch in dieser Hinsicht Vorbild christlichen Verhaltens.

Eine Parallele zur Versuchungs­ge­schich­te steht im Alten Testament in 1 Kön 13, wo der Gottesmann (=Jesus) gegenüber Jerobeam I. (=Antipas) die Teilhabe an der Macht ebenfalls ablehnt. In den Geschichten über den Propheten Elisa (=Jesus) ist aber ganz unbefangen von einer Koopera­tion mit dem König Ahab (=Antipas) die Rede.

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IV  4   Agrippa I.

 4.4.1.
Die Zeit des Antipas war eine Zeit der Konflikte, der Auseinander­-

Garizim, Thora-Rolle und Ältester
Garizim, Thora-Rolle und Ältester

setzungen zwischen jüdischen Gruppierungen, mit Agrippa I. folgte eine Zeit der Konsolidierung, der Verständigung, des Ausgleichs.

4.4.2.
In der Mosegeschichte folgte auf Antipas, den Mose des 2.-4. Mose­buches, Agrippa, der Mose des 5. Mosebuches, der sozialeren Gesetz­gebung im Pentateuch.

4.4.3.
In der Königsgeschichte folgte auf König Ahab (=Antipas), der mit dem Propheten Elia (=Johannes der Täufer) im Dauerclinch lag, der Revolutionär Jehu (=Agrippa), der vom Propheten Elisa (=Jesus) zum König gesalbt wurde.

4.4.4.
In der weiteren Königsgeschichte erwies sich der jüdische König Hiskia (=Agrippa) als Diplomat, der eine auswärtige Bedrohung ohne Gewalt abwenden konnte. Die Erzählung vom Rabschake von Lachisch in 2 Kön 18 als Vertreter Sanheribs ist dem Bericht über Petronius, den römischen Legaten Syriens als Vertreter Kaiser Caligulas in Ant 18,8,2 nachgebildet.

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4.3.2.
In den Elia-Erzählungen wird Johannes der Täufer gegenüber Jesus (Elisa) als der ältere und größere Prophet dargestellt. Elia ist der

Garizim, Thora-Rolle
Garizim, Thora-Rolle

Vorgänger des Elisa, er beruft Elisa in das Prophetenamt (1 Kön 19,19), Elisa erhält nur zwei Teile des Geistes des Elia (2 Kön 2,9). Eine Konkurrenzsituation zwischen den Propheten Elia (Johannes) und Elisa (Jesus) ist deutlich, vielleicht sind auch Wundererzählungen von einem Propheten zum anderen gewandert, wie das auch sonst geschah.

4.3.3.
In der Naboth-Erzählung 2 Kön 21 tritt Elia als Fürsprecher des Naboth (=Jesus) auf, hier liegt also bereits das christliche Verhältnis zwischen Jesus als Stifter des Christentums und der Johannes-Kirche, die Jesus verehrte, zugrunde.

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IV  2   Jesus

 4.2.1.
Jesus, der Statthalter und Gegenspieler des Fürsten Antipas, erhält viel Raum in den Geschichtsbüchern des Alten Testaments. Die historische

Garizim, samaritanische Moschee, Versammlungsraum
Garizim, samaritanische Moschee, Versammlungsraum

Person Jesus steht hinter folgenden literarischen Figuren im Alten Testament: Moses Bruder Aaron mit dem goldenen Stier, Moses Nachfolger Josua (Namengleichheit mit Jesus), der Prophet Elisa mit vielen an Jesus erinnernden Wundern, der Gottesmann in 1. Könige 13 mit einer Parallele zur Versuchungsgeschichte (Satan= Jerobeam I.= Antipas).

In der Erzählung Naboths Weinberg wird die Entlassung des Statthalters Jesus literarisch gestaltet, in 2 Kön 8 trauert Elisa wie Jesus in Markus 13,1-2 über die zukünftigen Zerstörungen der heiligen Stätte, in der Absalom-Erzählung liegt eine frühe Form der Passionsgeschichte vor (David= Antipas, Joab= Pilatus), ebenso im Beginn der Josef-Geschichte bis 1 Mose 37,20, wo Josef in eine Grube, d. h. ein Grab geworfen wird.