083

5.2.6.
Jesus war der Sohn einer Familie der judäischen Oberschicht, 1 Sam 16; 1 Kön 19,19ff, Lk 2,1ff. Wäre Jesus

Jerusalem, Via dolorosa
Jerusalem, Via dolorosa

aus der Unterschicht aufgestie­gen, müsste es Erzählungen über seinen sozia­len Aufstieg geben wie bei dem griechischen Fabeldichter Äsop, siehe Wolfgang Müller (Hrsg.): Das Leben Äsops, Leipzig 1974.

5.2.7.
Jesus wurde am Hof des Königs Herodes erzogen, 1 Sam 16,14ff. Die Erzählung, wie David an den Hof des Königs Saul kommt, ist eine Geschichte über Jesus.

5.2.8.
Jesus war seit seiner Jugend mit dem Herodessohn Antipas befreun­det, 1 Sam 18,1-4. Die Erzählungen von David und Jonathan beziehen sich auf Jesus und Antipas.

068

4.4.7.
Die alttestamentlichen Erzählungen über Agrippa zeigen, dass er nicht nur Antipas beerbt hat, sondern auch das Werk Jesu

Westbank, Straßensperre am 5.9.1990
Westbank, Straßensperre am 5.9.1990

fortsetzen wollte, eine ideale jüdische Monarchie zu begründen. Die dünnhäutige Reak­tion der Kirche in Apg 12,23 demonstriert, dass die Apostel in Agrippa einen Konkurrenten gesehen haben.

4.4.8.
In der Zeit des Antipas entstanden jüdische Standpunkte, die Haupt­erzählfäden des Alten Testaments, die Mose-, die David-, die Kö­nigs- und die Josefgeschichten wurden begonnen, in der Zeit Agrip­pas wurden diese Erzählfäden weitergesponnen, die Schriften fortgesetzt.

Dabei ist das Bemühen erkennbar, in Nachahmung und Konkurrenz zu Rom große jüdische Literatur zu schaffen und eine große jüdische Kulturtradition zu begründen.

063

4.2.2.
Jesus wird im Alten Testament fast durchweg positiv dargestellt. Elisa und der Gottesmann sind positive Figuren, auch wenn der Gottesmann

Garizim, samaritanische Moschee, Versammlungsraum
Garizim, samaritanische Moschee, Versammlungsraum

nicht ohne Schuld ist. Absalom ist auch in seinem Aufstand sympathisch gezeichnet, wir erfahren, dass Antipas (David) um den toten Jesus (Absalom) getrauert hat. Nur Aaron (Jesus) hat gegenüber Mose (Antipas) eine negative Rolle zu spielen.

4.2.3.
Die Freundschaft zwischen dem jugendlichen David (Jesus) und dem Königssohn Jonathan (Antipas) ist ein besonderes Kapitel der jüdischen Messias-Geschichte: Hier wird der Übergang von der Herodes-Dynastie zu einer neuen Herrscherlinie, die mit Jesus beginnt, sanktioniert.

4.2.4.
Zusammenfassend kann man sagen: Jesus genoss in der Zeit vor dem jüdischen Aufstand, als diese Texte verfasst wurden, in der jüdischen Gemeinde hohes Ansehen. Die Trennung zwischen Juden und Christen, die nach 70 n. Chr. erfolgte, lag damals noch in weiter Ferne.

060

4.1.3.
In den alttestamentlichen Schriften werden diese Leistungen des Antipas in drei Erzählfäden positiv dargestellt. (1) In der Moseerzählung

Garizim, moderner Opferplatz
Garizim, moderner Opferplatz

ab Exodus 1 wird berichtet, wie Antipas (=Mose) das Volk Israel (=Galiläa) aus der Herrschaft eines bauwütigen und Fronarbeit verlangenden Pharao (=Herodes) befreit, der ihm, Mose, nach dem Leben trachtet. Hier ist die Parallele zur Erzählung vom Kindermord in Bethlehem mit Händen zu greifen.

4.1.4.
(2) Im 2. Buch Samuel wird die Regierungszeit Davids (=Antipas) be­schrie­­ben. Die Sorge des Antipas um einen religiösen Mittelpunkt für sein Fürstentum wird mit der Ladeerzählung dokumentiert und zu einem positiven Abschluss geführt.

4.1.5.
(3) Zu einer stabilen Herrschaft gehörte damals eine stabile Nachfolgeregelung, die eine Dynastie voraussetzte. In 2 Sam 7 sichert der Gott Jahwe dem David (=Antipas) durch den Propheten Nathan zu, dass seine Herrschaft in seinen leiblichen Nachkommen weiterbestehen wird.