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Meine Thesen zur Bibel haben eine lange Vorgeschichte. Aufgewachsen in einem evangelischen Pfarrhaus und konfrontiert

Morteratsch-Gletscher, Pontresina, Oberengadin 2011
Morteratsch-Gletscher, Pontresina, Oberengadin 2011

mit der atheistischen Ideologie der DDR, interessierte ich mich schon als Schüler für die historischen Grundlagen der biblischen Erzählun­gen. Mein Vater hatte während des Krieges Chemie und erst nach dem Krieg Theologie studiert, in seinem Arbeitszimmer hingen statt der erwartbaren Heiligenbilder Fotographien von Albert Einstein und anderen Nobelpreisträgern, die den naturwissen­schaftlichen Fort­schritt des 20. Jahrhunderts repräsentierten.

 

Die wissen­schaftliche Sorgfalt, mit der mein Vater auch Theologie betrieb, hat mich mehr beeinflusst als seine im Grunde pietistische Frömmigkeit. Als ich von 1968 bis 1973 in Leipzig und Ostberlin Theologie studierte, war die Bultmann’sche Entmythologisierung für mich eine Befreiung aus der Enge pietistischer Bibel­frömmigkeit. Jesu Wunder galten damals als Relikte eines antiken Weltbildes, die Auferstehung als mythologische Formulierung, die für den heutigen Menschen existenz­philosophisch übersetzt werden musste.

 

Allerdings wollte ich dann auch das Göttliche selbst philosophisch deuten und geriet dadurch in Konflikt mit der Kirche, so dass ich das Theologie­studium nur mit den fachwissenschaftlichen Fächern abschloss.