5.2.9.
Jesus durchlief gemeinsam mit den Herodessöhnen Archelaos, Antipas und Philippus von 8 bis 4 v. Chr. in Rom die klassische Ausbildung
Jerusalem, Via dolorosa
der römischen Oberschicht, Ant 17,1,3; Lk 2,41ff; vgl. Apg 13,1. Die Herodesprinzen wurden um das Jahr 8 v. Chr. zur weiteren Ausbildung nach Rom geschickt. Ich gehe davon aus, dass Jesus mit ihnen zum Studium nach Rom geschickt wurde.
Herodes und seine Söhne brauchten tüchtige Verwaltungsfachleute und Diplomaten, die dem Königshaus treu ergeben waren. Die weitere Karriere Jesu setzt eine gute Ausbildung voraus.
Die Geschichte vom zwölfjährigen Jesus im Tempel zeigt, dass es Überlieferungen gab, die eine gute Ausbildung Jesu kannten.
5.2.6.
Jesus war der Sohn einer Familie der judäischen Oberschicht, 1 Sam 16; 1 Kön 19,19ff, Lk 2,1ff. Wäre Jesus
Jerusalem, Via dolorosa
aus der Unterschicht aufgestiegen, müsste es Erzählungen über seinen sozialen Aufstieg geben wie bei dem griechischen Fabeldichter Äsop, siehe Wolfgang Müller (Hrsg.): Das Leben Äsops, Leipzig 1974.
5.2.7.
Jesus wurde am Hof des Königs Herodes erzogen, 1 Sam 16,14ff. Die Erzählung, wie David an den Hof des Königs Saul kommt, ist eine Geschichte über Jesus.
5.2.8.
Jesus war seit seiner Jugend mit dem Herodessohn Antipas befreundet, 1 Sam 18,1-4. Die Erzählungen von David und Jonathan beziehen sich auf Jesus und Antipas.
5.1.5.
In der christlichen Überlieferung erscheint Antipas, obwohl ungenannt, in der Erzählung vom Stern und vom Kindermord von Bethlehem.
Israel, St. Georgskloster
Antipas war es, auf dessen zukünftiges Königtum die Sternerscheinung nach Ansicht der Astrologen hinwies, und Antipas war es, der dem Kindermord von Bethlehem entging.
Als im Jahre 7 v. Chr. sich Jupiter und Saturn dreimal am Himmel annäherten (eine große Konjunktion), sahen die Astrologen der damaligen Zeit darin einen Hinweis auf einen neuen jüdischen König.
5.1.3.
Antipas war der natürliche Anwärter auf den Titel des Messias. Messias ist ein jüdischer Königstitel, und Antipas war
Galiläa, Dattelpalme
nach der Verbannung seiner Bruders Archelaos im Jahre 6 n. Chr. das ranghöchste Mitglied der Herodes-Familie, der herrschenden Dynastie, hatte also Anspruch auf den höchsten Titel, den Titel eines Königs bzw. eines Messias.
5.1.4.
Antipas war ein gebildeter Monarch, er hatte in Rom studiert, war diplomatisch geschickt, er hatte Wohlstand und Bürgerrechte in die von ihm regierten Gebiete Galiläa und Peräa gebracht.
Seinen Untertanen ging es – und das ist ein wichtiger Maßstab – deutlich besser als ihren Eltern, und sie lebten in einem jüdisch regierten Gemeinwesen, das römische Imperium belastete die Bürger nicht.
4.4.5.
In der These 2.2.1 war der Beginn der Josef-Geschichte so gedeutet worden, dass er den Weg Jesu bis zu seinem Tod darstellte. Josef
Nablus, Josefs Grab
(=Jesus) war von seinen Brüdern (=den Juden) getötet und begraben worden. Unter Agrippa gibt es eine Fortsetzung: Josef (nun als Agrippa verstanden) war, so erzählt es die Fortsetzung der Geschichte, nicht getötet, sondern nur eingekerkert worden, muss nun in ein fernes Land, Ägypten (=Rom), reisen.
4.1.3.
In den alttestamentlichen Schriften werden diese Leistungen des Antipas in drei Erzählfäden positiv dargestellt. (1) In der Moseerzählung
Garizim, moderner Opferplatz
ab Exodus 1 wird berichtet, wie Antipas (=Mose) das Volk Israel (=Galiläa) aus der Herrschaft eines bauwütigen und Fronarbeit verlangenden Pharao (=Herodes) befreit, der ihm, Mose, nach dem Leben trachtet. Hier ist die Parallele zur Erzählung vom Kindermord in Bethlehem mit Händen zu greifen.
4.1.4.
(2) Im 2. Buch Samuel wird die Regierungszeit Davids (=Antipas) beschrieben. Die Sorge des Antipas um einen religiösen Mittelpunkt für sein Fürstentum wird mit der Ladeerzählung dokumentiert und zu einem positiven Abschluss geführt.
4.1.5.
(3) Zu einer stabilen Herrschaft gehörte damals eine stabile Nachfolgeregelung, die eine Dynastie voraussetzte. In 2 Sam 7 sichert der Gott Jahwe dem David (=Antipas) durch den Propheten Nathan zu, dass seine Herrschaft in seinen leiblichen Nachkommen weiterbestehen wird.
3.1.1.
Kaiser Augustus teilte im Jahre 4 v. Chr. das Königreich des verstorbenen Herodes unter dessen Söhne auf. Antipas erhielt dabei
Mossul, Moschee Jona
Galiläa und Peräa, ein Gebiet mit einer großen jüdischen Bevölkerung, das Zentrum der jüdischen Religionsausübung, der Jerusalemer Jahwe-Tempel, lag aber außerhalb seines Fürstentums.
3.1.2.
Antipas benötigte für den Zusammenhalt seines Fürstentums eine Ideologie, sei es eine Religion oder eine kulturelle Idee, die seine Herrschaftsansprüche legitimierte und der überwiegend jüdischen Bevölkerung ein Gefühl der Zusammengehörigkeit vermittelte.
2.5.5.
Im Alten Testament wird Herodes vielfach dargestellt, stets am Beginn der eigentlichen Geschichte. Er ist der Stammvater Jakob mit den vielen
Samarra
Söhnen, die die Stämme (=Regionen oder Nachfolgestaaten des Herodesreichs) repräsentieren, er ist der Tempelbauer Salomo, nach dessen Tod das Gesamtreich in Nord und Süd auseinanderfällt, wie nach dem Tod des Herodes.
Herodes ist aber auch der Pharao aus Ex 1f, der die Israeliten zur Zwangsarbeit für sein großes Bauprogramm verpflichtete (Ex 1,11), wie Herodes in der historischen Realität, und der Mose nach dem Leben trachtete, wie Herodes den Kindern in Bethlehem in Mt 2 oder seinen eigenen Söhnen.
Herodes ist auch Saul, der erste König Israels, der von Gott erwählt und später verworfen wurde, dessen Dynastie unterging und der das Königtum an David (=Jesus) verlor.
2.5.3.
Herodes war eine militärische Machtentfaltung wegen der römischen Herrschaft versagt geblieben, die eingesparten Kosten
Samarra
einer militärischen Aufrüstung und Kriegführung investierte er in großartige Bauten in Jerusalem, Caesarea Maritima und anderen Orten in Palästina. Am bedeutendsten war die Errichtung des herodianischen Tempels mit einer Erweiterung des Tempelplateaus in Jerusalem.
2.5.4.
Herodes war ein absoluter Herrscher, außenpolitisch als Bundesgenosse an Rom gebunden, innenpolitisch souverän, sein Bild in der Geschichtsschreibung beginnt mit positiven Darstellungen des tatkräftigen Herrschers bei Nikolaos von Damaskus, die als Abschrift im Jüdischen Krieg des Josephus teilweise erhalten sind (Bell 1,31-2,116).
Als sich in Rom der Wind drehte und Kaiser Nero als Tyrann erschien, wurde auch Herodes bei Josephus (Jüdische Altertümer) und in Mt 2 als Gewaltherrscher dargestellt.
2.5.1.
Die traditionelle Erzählung nennt Herodes im Zusammenhang des Kindermords in Bethlehem
Irak, Kloster Mar Behnam
einen Gewaltherrscher und erwähnt den Bau des herodianischen Tempels in Jerusalem.
2.5.2.
Meine Thesen über Herodes den Großen: Herodes der Große (39-4 v. Chr.) schuf mit seinem Königreich in Palästina die Grundlage für die Einheit der Juden und ihren Aufstieg zu einer kulturellen Macht.
Vor Herodes gab es nur die einzelnen jüdischen Regionen, Herodes vereinigte in seinem Reich die jüdischen Regionen in Palästina, er kümmerte sich auch um die Juden in der Diaspora, in Ägypten und Mesopotamien.
Nach dem Tod des Herodes zerfiel die politische Einheit, die kulturelle Einheit blieb aber erhalten.
2.4.1.
In der traditionellen Erzählung über Judentum und Urchristentum kommen die Parther
Hatra, Kamelplastik
nur am Rande vor. In meinen Thesen über Judentum und Urchristentum spielen die Parther als Gegenspieler der Römer eine wichtige Rolle.
2.4.2.
Die Juden lebten im 1. Jahrhundert n. Chr. unter der Herrschaft Roms, aber der Einfluss der östlichen Großmacht, der Parther, war immer spürbar. Die Parther hatten 40 v. Chr. zusammen mit dem jüdischen Adel Herodes vertrieben und seinen Gegner, den Hasmonäer Antigonos, unterstützt. Herodes musste sein Königreich in den Jahren 39 – 36 erst zurückerobern.
2.3.4.
Das in vorrömischer Zeit orientalisch geprägte Judentum wurde erst
Hatra, Torbogen
durch die Begegnung und in der Auseinandersetzung mit der überlegenen kulturellen Macht Roms zu der kulturellen und religiösen Größe, die wir heute kennen.
2.3.5.
Im Alten Testament werden die Römer verschiedentlich dargestellt. In Genesis 32f, wo erzählt wird, wie Jakob sich mit Esau aussöhnt, wird die Unterwerfung des Herodes unter Augustus literarisch verarbeitet. Herodes hatte im Bürgerkrieg zwischen Augustus und Antonius den Antonius unterstützt. Nach dem Sieg des Augustus in der Seeschlacht bei Actium am 2. September 31 v. Chr. musste sich Herodes dem Augustus als verlässlicher Partner anbieten (Ant 15,6,6f).
In den Erzählungen von Samuels Suche nach einem König für Israel in 1 Sam 8ff setzt Samuel in Israel Könige ein und verwirft sie. Diese Rolle kam in der historischen Realität den Römern Pompeius und Augustus zu. 1 Sam 8ff zeigt damit, dass die Juden die römische Macht als von Gott eingesetzt anerkannten.
2.3.3.
Die römische Herrschaft über den Orient führte zu einem einheitlichen politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Raum, den man nur
Ktesiphon, antiker Palast
mit der heutigen Globalisierung vergleichen kann. Der erzwungene Verzicht auf militärische Rüstung und Landesverteidigung hatte in Palästina eine erhebliche Anhebung des Lebensstandards zur Folge. Das große Bauprogramm Herodes’ des Großen ist dafür typisch.
Anfangs wurden auch die neuen kulturellen Möglichkeiten, die von den Römern eröffnet wurden, gern genutzt. Der Wohlstand und der kulturelle Aufschwung mündeten später in einen jüdischen Nationalismus, der in den großen Aufstand und in die Katastrophe führte. Aber davon war man in den ersten Jahrzehnten des 1. Jahrhunderts n. Chr. noch weit entfernt.
1.5.6.
Die traditionelle Erzählung über die Entstehung der alttestamentlichen Schriften geht so: Die Schriften des Alten Testaments wurden
Kairo, alte Synagoge
in der Zeit der vorhellenistischen Königreiche Juda und Israel verfasst, in späterer Zeit ergänzt und lagen zur Zeit Jesu im Wesentlichen fertig vor. Parallelen zwischen der Geschichte Jesu und alttestamentlichen Textstellen entstanden dadurch, dass die Verfasser der neutestamentlichen Schriften die Messias-Weissagungen des Alten Testaments auf Jesus bezogen.
1.5.7.
Ich vertrete folgende Meinung: Bis zur Zeit des Königs Herodes (40-4 v. Chr.) wurden im Judentum heilige Texte, denen man auch eine magische Wirkung zuschrieb, nur mündlich überliefert, damit sie nicht Gefahr liefen, in falsche Hände zu geraten und missbraucht zu werden. Die Juden hielten es wie die schriftlosen Kelten, von denen Caesar dieselbe Einstellung berichtet, Bell Gall VI 14.
Aber auch die viel schreibenden Griechen hielten sich zurück, wenn es um die Verschriftung heiliger Texte ging. Dazu schreibt Roland Baumgarten (Heiliges Wort und Heilige Schrift bei den Griechen, 1998, S. 223f):
Es ist kein umfassendes Bemühen der Griechen erkennbar, tatsächlich altes religiöses Traditionsgut zu verschriften. Die eingeübte und bewährte Kultpraxis scheint sich gegenüber dem Eindringen von Schriftlichkeit als weitgehend resistent erwiesen zu haben.
Dass die Juden heilige Texte nicht schriftlich fixierten, war also keine jüdische Besonderheit, sondern folgte einem antiken Muster.
1.3.4. Öffentliche Bauten: Herodes der Große konkurrierte mit den Römern auf dem Feld der öffentlichen Bauten, überall im Land ließ
Theben West, Hatschepsut
Herodes Festungen, Städte, Häfen, Tempel und Theater bauen. Das Tempelareal des Jerusalemer Tempels ließ Herodes so erweitern, dass es die Ausdehnung des Forum Romanum in Rom, des innerstädtischen römischen Tempelbezirks, erreichte.
1.3.5. Nationale Literatur: Im Zeitalter der Herodeserben verlegten sich die Juden im Wettbewerb mit Rom auf das Feld der Literatur. Sie hatten bisher auf die Niederschrift ihrer kulturellen Überlieferung verzichtet und schufen nun eine neue nationale Literatur, die Schriften unseres Alten Testaments. Dabei orientierten sie sich an den römischen Schriften der republikanischen Zeit, die auch in der Kaiserzeit noch hoch im Kurs standen.
1.3.3. Jüdische Akkulturation: Der jüdische Staat der Makkabäer/ Hasmonäer war der Erbe der Kultur der vorderorientalischen
Abu Simbel, linke Kolossalstatue
Großmächte und unter Herodes der mächtigste orientalische Klientelstaat im römischen Reichsverband. Außenpolitisch von Rom abhängig, standen die Juden kulturell im Wettbewerb mit der römischen Großmacht. Es gab einen Zwang, sich dem militärisch und politisch überlegenen Partner kulturell anzupassen.
Es erfolgte die Anpassung, die Akkulturation der Juden an die römische Kultur. Die Akkulturation vollzog sich aber nicht durch einfache Übernahme der römischen Kultur, sondern im Wettbewerb, indem die Juden mit den Römern einen Wettbewerb um die besten kulturellen Leistungen austrugen.