397

Der unechte Markusschluss: Im sekundären Markusschluss,

Hamburg, Außenalster
Hamburg, Außenalster

16,8-20, werden metaphysische Er­schei­­nungen und eine Himmel­fahrt angefügt, die Jesus als Bewohner der himmlischen Welt zeigen.

Diese zweite Erzähl­ebene, die Götterebene Homers und Vergils, hatte Markus ebenso wie der römische Dichter Lucan (39-65 n.Chr.) bewusst vermieden.

396

Johanneskirche 11: Erst später erinnern sich die Frauen

Hamburg, Außenalster
Hamburg, Außenalster

an den Verkündigungsauftrag, den der Evangelist an ihrer Stelle erfüllt. Der auferstandene Jesus wird den Jüngern in Galiläa begegnen, 16,7.

Die Auferstehung, das neue Leben findet nicht an religiös herausgehobenen Orten, sondern in der Alltagswelt, für die Jünger in Galiläa, statt.

395

Johanneskirche 10: Die alchemisti­sche Kunst der Frauen

Hamburg, Außenalster
Hamburg, Außenalster

reicht nur dazu, den Leichnam für das Jenseits und eine spätere Auferstehung zu bewahren. Zu ihrer Überraschung kehrt Jesus aber in das Diesseits der Frauen und der Jünger zurück.

Jesus ist auferstanden, er lebt bereits wieder. Obwohl Jesus nicht anwesend ist, können die Frauen dies klar erkennen.

Der junge Mann rechts ist das untrügliche Zeichen dafür. Die Frauen sind entsetzt und können ihre Erlebnisse nicht sofort an andere christliche Gruppen weitergeben.

394

Johanneskirche 9: Die von Markus überlieferte Tradition

Hamburg, Außenalster
Hamburg, Außenalster

der Erscheinungen vor den Frauen muss älter sein als die von Paulus zitierte Tradition der Erscheinun­gen vor Petrus und den Jüngern, von der sie später verdrängt wurde.

Markus berichtet die Auferstehung interessanter­weise nicht als Ereignis, sondern als Botschaft, als Botschaft der Frauen der Täuferchristen, zu deren Überlieferung das Oster­geschehen gehört.

393

Johanneskirche 8: Während die Frauen Jesus für das Jenseits

Hamburg, Außenalster
Hamburg, Außenalster

reisefertig machen wollen, kehrt er in ihre diesseitige Wirklichkeit zurück. Die neue Schöpfung hat bereits begonnen.

Jesus ist nach seinem tiefen Fall vollständig rehabilitiert und erweist sich in der Auf­erstehung als mächtiger als seine Feinde.

Markus 16,8 berichtet vom Schweigen der Frauen über die Auferstehung. Markus zitiert hier also eine Tradition, die den Auferstehungs­glauben zunächst als Sonderüberlieferung von christlichen Frauengruppen (Maria) kennt.

392

Johanneskirche 7: Die Frauen stehen bereits in direkter Beziehung

Hamburg, Hotel Vier Jahreszeiten
Hamburg, Hotel Vier Jahreszeiten

zum Auferste­hungs­­geschehen. Ihr Ansinnen, den Leichnam mit den dazu üblichen Materialien für das Toten­gedenken bzw. für die Reise ins Jenseits herzurichten, erweist Jesus die angemessene irdische Ehrerbie­tung, 15,47-16,1.

Die Vorbereitungen der Frauen verweisen schon auf die erwartete neue Schöpfung. Das, was die Frauen erst für die Zukunft erwarten, ist aber schon jetzt Wirklichkeit geworden.

391

Johanneskirche 6: Jesus kann der Sitte gemäß

Hamburg, Junfernstieg
Hamburg, Junfernstieg

bestattet werden. Die Aberkennung der bürgerlichen Ehren­rechte, die mit der Strafe der Kreuzi­gung verbunden war, ist aufgehoben, 15,45.

Indem Joseph von Arimathäa Jesus bestattet, ist sein Rang im göttlichen Heilsplan schon höher als der des Pilatus.

Joseph schafft mit dem hermetischen Verschluss des Grabes, 15,46, die -alchemistische – Voraussetzung für die neue Schöp­fung, die nach­folgende Auferstehung.

390

Johanneskirche 5: Nun sehen wir einen Anhänger Jesu

Hamburg, Hotel Atlantic
Hamburg, Hotel Atlantic

im Range eines Ratsherrn, Joseph von Arimathäa, der sich zu Jesus bekennt und den Leichnam Jesu erbittet, 15,42-43.

Jetzt kommt Pilatus ins Spiel, wiederum ranghöher, der entgegen der Gepflogenheit die Leiche Jesu zum Begräbnis freigibt, 15,44-45.

Pilatus ist hier ganz anders gezeich­net als in der judenchristlichen Passionsüberlieferung. Er ist nicht mehr der wankelmütige, von den Stimmungen des unbere­chenbaren und leicht zu beeinflus­senden Pöbels abhängige Despot.

Pilatus ist hier ein souveräner Herr­scher, der eine sachgemäße und pietätvolle Entscheidung trifft.

389

Johanneskirche 4: Als erster Mensch legt der römische Haupt­mann

Hamburg, Außenalster
Hamburg, Außenalster

seine Verachtung ab und billigt Jesus eine Beziehung zum Göttlichen zu: einen Gottessohn nennt er ihn, 15,39. Nun weist Markus den Leser darauf hin, dass Jesus nicht so einsam starb, wie es schien.

Die Jüngerinnen nahmen in gemessenem Abstand an seinem Leiden teil, 15,40-41.47. Die Frauen weisen als Symbole der Fruchtbarkeit auf neues Leben, auf Ostern hin wie vorher die Leidensweis­sagungen auf die Passion.

388

Johanneskirche 3: Wenn Gott im Rang hier unmit­tel­bar neben der Natur

Alt-Hamburg, Reimerstwiete, 1989
Alt-Hamburg, Reimerstwiete, 1989

erscheint, heißt das: Markus hat nicht Gott als handelnde Person im Blick, sondern die göttlichen Kräfte in der Natur, die beim Verlassen des Menschen seinen Tod ver­ursachen und in Tempeln als Naturkräfte verehrt werden.

Dass Gott als rang­höchste Person mit seinem Heilsplan hinter dem Geschehen von Leiden und Auferstehen steht, wissen wir schon.

387

Johanneskirche 2: Wir wissen schon aus 15,33, dass die Sonne

Alt-Hamburg, Nikolaifleet, 1989
Alt-Hamburg, Nikolaifleet, 1989

nach der neunten Stunde zurückkehrt. Die Gottverlassenheit Jesu aus 15,34 wird in 15,38 aufgehoben: der Tempel, der irdische Wohnsitz Gottes, zeigt die Trauer, das Mitgefühl Gottes an.

So wie der Jude als Zeichen der Trauer sein Kleidungsstück zerreißt oder zumin­dest sichtbar ein Stück weit einreißt, so entsteht als Zeichen göttlicher Trauer im Tempel­vorhang, dem irdischen Kleid Gottes, ein gewaltiger Riss.

Die Trauer ist so groß, dass der äußerst kostbare Stoff in voller Länge zerreißt und wertlos wird.

386

Die Passionsüberlieferung der Johanneskirche: Dem stetigen Abstieg

Alt-Hamburg, Nikolaifleet, 1989
Alt-Hamburg, Nikolaifleet, 1989

über viele Stationen bis zum abso­luten irdischen Tiefpunkt hat Markus mit der Passions­über­lieferung der Johanneschristen den Wiederaufstieg gegenüber­gestellt.

Der Wieder­herstellung der irdischen Ehre Jesu, 15,38-47, folgt die Wieder­herstellung der überirdischen Ehre Jesu, 16,1-8. So wie Jesus beim Ab­stieg immer tiefer sinkt und seine Peiniger von immer nied­rige­rem Rang sind, so läuft der Aufstieg in umgekehrter Reihenfolge vom Rangniederen zum Ranghöheren.

385

Jakobuskirche 3: Dann keimt wieder Hoffnung auf für Jesus. Pilatus

Hamburg, Katharinenkirche
Hamburg, Katharinenkirche

hält ihn für unschuldig, 15,2-5, und das Volk erbittet einen Gnadenerweis zum Fest, 15,8.

Aber die Hoffnung ist von kurzer Dauer, das Leiden Jesu setzt sich fort, zuerst das seelische: Die Menge wird aufgehetzt und wendet sich von Jesus ab, 15,13. Pilatus ist feige und fügt sich dem Willen der Menge, 15,15.

Dann folgt das physische Leiden: Jesus wird verurteilt, verspottet, verprügelt, gekreuzigt. Auch die Passanten verspotten ihn, zuletzt die Mit­gekreuzigten. Sogar die Natur (die Sonne) wendet sich ab, 15,16-33.

Tiefer kann man nicht sinken. Jesus stirbt, 15,37. Ende des Lei­dens, Ende des juden­christ­lichen Teils der Passions­überlie­ferung.

384

Jakobuskirche 2: In Gethsemane sind die Jünger Jakobus, Johannes und Petrus,

Hamburg, Universität
Hamburg, Universität

die Stammväter der Juden­christen, der Täuferchristen und der Petruschristen, keine Hilfe für Jesus, 14,32-42. Als Jesus gefangen genommen wird, fliehen alle Jünger, 14,50.

Auch die jüdische Obrigkeit stellt sich gegen Jesus, 14,53-65, und während Jesus bekennt, verleugnet Petrus, 14,66-72. Jesus kann erst verhaftet werden, als die Jünger fliehen, er kann erst dann an die Heiden übergeben werden, als auch Petrus sich abgewendet hat.

Zum physischen Leiden Jesu kommt das seelische Leiden, weil keiner den Versuch macht, ihm zu helfen. Jeder versucht nur, seine eigene Haut zu retten.

383

Mit der Passionsüberlieferung der Jakobuskirche, 14,26-15,37,

Hamburg, Rathaus
Hamburg, Rathaus

erzählt Markus das Leiden Jesu als Verstoßung aus dem Volk Gottes, bestehend aus den Jüngern und der jüdischen Obrigkeit, und aus der menschlichen Gemeinschaft überhaupt.

Schien es zunächst, als würde nur Judas aus der Solidarität mit Jesus ausscheren, so kündigt Jesus nun den Abfall aller Jünger an, 14,27, sogar Petrus wird Jesus verleug­nen, 14,31.

382

In der Passionsüberlieferung der Petruschristen, 14,1-25,

Hamburg, Rathaus
Hamburg, Rathaus

werden Höhepunkt und Abschluss des Wirkens Jesu unter den Jün­gern gestaltet. Der Verlust der Souveränität Jesu setzt sich hier fort. Er ist immer weniger Herr des Geschehens.

Der Plan der Hohe­priester nimmt Gestalt an, 14,1-2. Bei der Salbung in Bethanien ist Jesus mehr Objekt als handelndes Subjekt, 14,3-9. Der Verrat des Judas, 10-11, setzt den göttlichen Heils­plan in Gang, dem Jesus sich nicht widersetzen will.

Das Abendmahl mit den Zwölf, 14,12-25, ist der Höhepunkt des Wirkens Jesu unter den Jüngern, aber auch die letzte Perikope, in der die Jünger zu Jesus halten.

381

Passion 2: In Markus 1,4ff ist Johannes der Zeuge,

Hamburg, An der Binnenalster
Hamburg, An der Binnenalster

jetzt werden es die Jünger sein. Der in 1,8 prophezeite Heilige Geist wird den Jüngern das Reden ermög­lichen.

Das Sterben und Auferstehen, in der Taufe vorweg­ge­nommen, wird in der großen Bedrängnis die ganze Welt betref­fen: Sie muss zugrunde gehen, um neu erschaffen zu werden, 13,14-20.

Der Versuchung Jesu entspricht die Versuchung der Gemeinde durch falsche Christusse. Das Motiv der vier Jünger wird wieder aufgenom­men durch die Auserwählten aus den vier Himmels­richtungen, 13,27.

380

Der 2. Hauptteil des Markusevangeliums, die Passionserzählung, beginnt

Hamburg, An der Außenalster
Hamburg, An der Außenalster

nach der Über­schrift wie der 1. Teil mit einer Ouvertüre (13, 3-37), in dem Motive aus der Ouvertüre zu Teil 1 wieder aufgenommen werden.

Die vier Jünger Petrus, Andreas, Jakobus und Johannes werden in 13,3 genannt. Das Stichwort arche (=Anfang, Grundlage) aus 1, 1, kehrt in 13,8 wieder.

Die Frage wann? aus 13,4 war in 1,15 bereits beantwortet worden: die Zeit ist jetzt erfüllt.

378

Judäa und Jerusalem 3: Ab Markus 11,12 verscherzt es sich Jesus

Hamburg, Stadttürme, 1989
Hamburg, Stadttürme, 1989

mit allen Gruppen: den eigenen Anhängern (Irritation, 11,14), den Hohepriestern, 11,18, den Ältesten, 11,28, allen Juden, 12,1ff, Pharisäern und Herodia­nern, 12, 13, den Sadduzäern, 12,18, den Schrift­gelehrten, 12,28-40, den Reichen, 12,41.

Am Schluss bleibt nur – am unteren Ende der sozialen Rang­ordnung – die arme Witwe, mit der Jesus noch nicht gebrochen hat. Jesus wird zur öffentlichen Unperson. Ende Teil 1.

377

Judäa und Jerusalem 2: Von 10,46 bis 15,37 gestaltet Markus den Abstieg Jesu

DDR Grenzanlagen bei Büchen, 11.11.1989
DDR Grenzanlagen bei Büchen, 11.11.1989

von öffentlicher ungeteilter Zustim­mung beim triumphalen Einzug in Jerusalem, 11, 9-10, bis zum Tod und zu allgemeiner Verach­tung, 15,28-37.

Zum Schluss wendet sich sogar die Natur von ihm ab, 15, 33. Zu Beginn ist Jesus noch souveräner Führer, er sorgt selbst dafür, dass er gesehen wird, 10,46ff.