4.1.6.
In den Königsbüchern wird ab 1 Kön 12 die Entstehung eines eigenen Nordstaates geschildert und gerechtfertigt. Danach werden die
Garizim, samaritanische Moschee
Geschichten der beiden Staaten auf jüdischen Boden miteinander verzahnt beschrieben. Deutlich ist die Schilderung des Antipas als König Jerobeam I. (Kunstname, literarische Gestalt) und als der aus archäologischen Quellen bekannte König Ahab.
4.1.7.
Solange Antipas regierte, malte man sein Bild in rosigen Farben. Nach seiner Absetzung und Verbannung 39 n. Chr. wurden die Probleme (Bathseba, Absalom) und schließlich das Scheitern des ehemals erfolgreichen Herrschers offen geschildert, 1 Kön 14; 22; 2 Kön 10.
An die frühen David-Erzählungen wurden die Geschichten über Bathseba (=Herodias) und Absalom (=Jesus) angehängt, die die Gefährdungen der Herrschaft des Antipas reflektierten.
Und der Dynastieverheißung aus 2 Sam 7 wurde das Scheitern des Antipas in 1 Kön 14 (Jerobeam I.) und in 1 Kön 22; 2 Kön 10 (Ahab) gegenübergestellt.
4.1.3.
In den alttestamentlichen Schriften werden diese Leistungen des Antipas in drei Erzählfäden positiv dargestellt. (1) In der Moseerzählung
Garizim, moderner Opferplatz
ab Exodus 1 wird berichtet, wie Antipas (=Mose) das Volk Israel (=Galiläa) aus der Herrschaft eines bauwütigen und Fronarbeit verlangenden Pharao (=Herodes) befreit, der ihm, Mose, nach dem Leben trachtet. Hier ist die Parallele zur Erzählung vom Kindermord in Bethlehem mit Händen zu greifen.
4.1.4.
(2) Im 2. Buch Samuel wird die Regierungszeit Davids (=Antipas) beschrieben. Die Sorge des Antipas um einen religiösen Mittelpunkt für sein Fürstentum wird mit der Ladeerzählung dokumentiert und zu einem positiven Abschluss geführt.
4.1.5.
(3) Zu einer stabilen Herrschaft gehörte damals eine stabile Nachfolgeregelung, die eine Dynastie voraussetzte. In 2 Sam 7 sichert der Gott Jahwe dem David (=Antipas) durch den Propheten Nathan zu, dass seine Herrschaft in seinen leiblichen Nachkommen weiterbestehen wird.
4.1.1.
Antipas hatte sich bei der Suche nach einer Staatsreligion
Garizim, moderner Opferplatz
für sein Fürstentum für die nationale Lösung entschieden und setzte auf nationale jüdische Dichtung zur Legitimation seiner Herrschaft.
4.1.2.
Antipas‘ Leistungen liegen in drei Politikfeldern: 1. in der Einführung von Gesetzen als Herrschaftsgrundlage anstelle der persönlichen Machtausübung Herodes‘ des Großen, 2. in der Errichtung eines stabilen Staates in Galiläa, 3. in der Loslösung Galiläas aus der Verbindung des herodianischen Herrschaftsverbandes.
Literatur: Diebner, Bernd J./ Hermann Schult: Thesen zu nach-exilischen Entwürfen der frühen Geschichte Israels im Alten Testament, in: DBAT 10 (1975) 41-47, wieder abgedruckt in DBAT 28 (1992/93) 41-46. – Lemche, Niels Peter: The Old Testament – A Hellenistic Book, in: SJOT 7/2 (1993) 163-193. – Neumann, Johannes: Der historische David. Legende und Wirklichkeit in der Geschichte Israels und Judas von der Frühzeit bis zur Dynastie Omri, Radebeul 1997. – ders.: Historischer Jesus und Altes Testament. Hellenistische Quelle der jüdischen Bibel, Radebeul 2000. – ders.: Latein in der Genesis, Das Alte Testament – Jüdische Literatur aus der Zeit des Herodes und seiner Nachfolger?, in: ders.: War Jesus Statthalter von Galiläa?, Radebeul 2009, S. 95-124. – Zuber, Beat: Die „Geschichts“-Traditionen der alttestamentlichen Königszeit – z. B. als literarischer Niederschlag einer historischen Auseinandersetzung mit der Herodes-Dynastie zu lesen?, in: Landgabe, FS Jan Heller, Prag 1995, 133-172.
4.0.1.
Die traditionelle Erzählung über die Entstehung des alttestamentlichen Judentums lehnte sich eng an die biblische Erzählung vom Auszug
Garizim, antike Ruinen, Detail
aus Ägypten, vom Großreich Davids, von den jüdischen Kleinstaaten, den Propheten, vom babylonischen Exil und der Rückkehr unter Kyros an.
Da die Archäologie von diesen Erzählungen nur sehr wenig bestätigen konnte, wurden nach und nach Positionen geräumt und die Entstehung des Alten Testaments auf immer spätere Zeit verschoben.
An der vorhellenistischen Entstehung der alttestamentlichen Schriften wollen die Vertreter der traditionellen Erzählung aber festhalten.
4.0.2.
Ich vertrete folgende Meinung über die Entstehung des alttestamentlichen Judentums:
Das alttestamentliche Judentum entstand im 1. Jahrhundert n. Chr. zwischen der Regierungszeit des Fürsten Antipas und dem Abschluss der alttestamentlichen Schriften nach dem Ende des jüdischen Aufstands 70 n. Chr.
3.5.3.
Die Entscheidung des jüdischen Fürsten Antipas
Garizim, antike Ruinen
für eine nationale jüdische religiöse und kulturelle Identität führte zur Entstehung der Literatur des Alten Testaments und zu einer jüdischen Identität auf Basis dieser Schriften.
3.5.4.
Das monarchistische Herrschaftsmodell mit der Konzeption des Messias als des idealen Monarchen zog verschiedene religiöse und soziale Gruppierungen an und führte über Jesus und die Apostel, die diese Gruppierungen anführten, zum Christentum.
3.5.1.
Die beiden Lösungen für eine galiläische Identität entwickelten sich allmählich und bestanden nebeneinander her. Antipas zögerte
Garizim, antike Ruinen
offensichtlich, einer Lösung den Vorzug zu geben. Einerseits stärkte das monarchische Modell seine Stellung im politischen System, andererseits hatten die Juden eine starke Lobby und waren eine wichtige Stütze seiner Herrschaft.
3.5.2.
Eine Entscheidung fiel erst, als Antipas ca. 31 n. Chr. seine Schwägerin Herodias, ehelichte. Die machtbewusste Herodesenkelin sah im Statthalter Jesus einen Konkurrenten und bewog Antipas, Jesus zu entlassen, der daraufhin ca. 32 n. Chr. ins Exil nach Tyros ging.
3.4.1.
Jesus, der Freund und Statthalter des Antipas, wollte eine starke Stellung des Monarchen auf Kosten der jüdischen Oberschicht.
Caesarea Maritima, römisches Theater
Er favorisierte eine imitatio Augusti, eine Monarchie nach dem Vorbild des augusteischen Herrschaftssystems.
3.4.2.
Jesus erbaute Tiberias, die neue Hauptstadt des Antipas, als Modellstadt für sein Ideal der monarchischen Herrschaft, in der die einheimische Oberschicht wie in Rom an der Machtrepräsentation, nicht aber an der eigentlichen Machtausübung beteiligt war und wo die Unterschicht sozial abgesichert und eine Stütze des Systems war.
3.1.1.
Kaiser Augustus teilte im Jahre 4 v. Chr. das Königreich des verstorbenen Herodes unter dessen Söhne auf. Antipas erhielt dabei
Mossul, Moschee Jona
Galiläa und Peräa, ein Gebiet mit einer großen jüdischen Bevölkerung, das Zentrum der jüdischen Religionsausübung, der Jerusalemer Jahwe-Tempel, lag aber außerhalb seines Fürstentums.
3.1.2.
Antipas benötigte für den Zusammenhalt seines Fürstentums eine Ideologie, sei es eine Religion oder eine kulturelle Idee, die seine Herrschaftsansprüche legitimierte und der überwiegend jüdischen Bevölkerung ein Gefühl der Zusammengehörigkeit vermittelte.
1.5.9.
Zur Zeit des Herodessohns Antipas, des Fürsten von Galiläa (4 v. – 39 n. Chr.), hatte sich die Situation gewandelt. Antipas hatte
el Faijum, Lastesel
in Rom studiert und dort die Bedeutung schriftlich fixierter heiliger Texte kennen gelernt. Er hatte auch bei Dichterlesungen römische Dichter gehört und die Bedeutung der Dichtkunst für das Selbstverständnis und das Selbstbewusstsein der Römer kennen gelernt.
Erst in der Zeit der Herrschaft des Antipas, der in seinem Fürstentum keinen dem Jerusalemer Tempel vergleichbaren Tempel besaß, wurde von Rom die Idee übernommen, in dichterischen Texten die große Vergangenheit der Juden zu beschreiben, um den Juden eine kulturelle Identität auf der Basis einer nationalen Literatur zu geben.
1.1.4.
Unter dem Herodessohn Antipas (4 v. – 39 n. Chr.) und seinen
Pyramiden Cheops, Chefren
Nachfolgern entstand unter dem Eindruck und in Konkurrenz zu der römischen Literatur die jüdische Literatur unseres Alten Testaments mit der Fiktion einer alten eigenständigen Kultur des Judentums.
1.1.5.
Die Interpretation der Schriften des Alten Testaments muss die reale Entstehungssituation berücksichtigen und die von der klassischen Philologie erarbeiteten Methoden und Kenntnisse anwenden. Die Interpretation des Alten Testaments kann nur dann sachgemäß erfolgen, wenn wir seine Schriften als Teil der römisch-hellenistischen Kultur würdigen.