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War das Dilemma des viktorianischen Gentlemans auch Darwins Dilem­ma, ist es auch unser Dilemma?

Festumzug, Cusco, Peru, 27. 8. 1989
Festumzug, Cusco, Peru, 27. 8. 1989


Ich meine, die Antwort auf diese Fragen muss ein klares Ja sein. Der viktorianischen Gentleman Charles Darwin wusste, dass der Mensch von äffischen Vorfahren abstammte, anderer­seits war zu sehr ein Kind seiner Zeit, um nicht den tiefen Graben zwischen Mensch und Tier zu betonen.

Wenn er nicht wie seine ideolo­gischen Gegner den Geist des Menschen einem göttlichen Schöp­fungsakt zuschreiben mochte, so konnte er doch im hegelschen Sinne an die Selbstentfaltung des Geistes glauben.

G. F. W. Hegel hatte in der Phänomenologie des Geistes die Ent­wicklung der menschlichen Kultur als die Selbst­entfal­tung des Geistes in der Geschichte über die Stationen Bewusstsein, Selbstbewusstsein, Vernunft, Geist, Religion und Kunst bis zum absoluten Wissen darge­stellt.

In der gegenseitigen Befruchtung von Gehirn und Geist bei Dar­win entfaltete sich der Geist wie bei Hegel, sobald die körperlichen Bedingungen, insbesondere die Gehirngröße der Vor- und Frühmen­schen bis zum Homo Sapiens es zuließen. Darwin übersah aber, dass nach seiner Evolutionstheorie die Entwicklung nicht zielge­richtet, nicht finalistisch, sondern ergebnisoffen ist.

Wenn Hegel die Selbstentfaltung des Geistes, wenn ein Kulturhistoriker die Entfaltung der griechischen, der römischen oder der Renaissance­kultur beschrieben, hatten sie ein Endziel vor Augen, auf das hin die Entwicklung verlief. Auch Darwin hatte bei seiner Beschreibung der geistigen Entwicklung bis zum Menschen ein Endziel vor Augen, nämlich den englischen Gentleman der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts.

Aber genau das war der Fehler, das war die finalistische Komponente, die es nicht geben durfte. Das war der Münchhausen-Effekt, den ich oben beschrieben habe.

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