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Merlin Donald verwendet den Begriff der Koevolution

Festumzug, Cusco, Peru, 27. 8. 1989
Festumzug, Cusco, Peru, 27. 8. 1989


nicht in diesem streng biologischen Sinn, wenn er schreibt:

Unser Gehirn hat sich in Koevolution mit der Kultur entwickelt (S. 15)

Bei Donald geht es nicht um zwei selbständige Lebewesen, nicht um gegenseitigen Selektionsdruck, sondern ein gegenseitiges Profitieren von Kultur und Gehirn. Wäre die Kultur wie das Gehirn ein Organ des Menschen, könnte man von einer Symbiose sprechen. Unabhängig von den Begriffen ist aber deutlich zu erkennen, worum  es Donald geht.

Das menschliche Gehirn, so seine These, hat sich gemeinsam mit der menschlichen Kultur entwickelt, Gehirn und Kultur sind aufeinander angewiesen. Donald kann sich dabei auf Charles Darwin berufen, der in der Abstammung des Menschen ausführte:

Ein großer Schritt in der Entwicklung des Intellekts muß erfolgt sein, sobald die halb künstliche und halb instinktive Sprache in Gebrauch kam; denn der beständige Gebrauch der Sprache wird auf das Gehirn zurückgewirkt und eine vererbliche Wirkung hervorgebracht haben; und dies wiederum wird der Vervollkommnung der Sprache zugute gekommen sein.

Wie Chauncey Wright richtig bemerkt hat, mag die Größe des menschlichen Gehirns im Vergleich zu seinem Körper, verglichen mit dem Gehirn tiefer stehender Tiere, zum großen Teil dem frühen Gebrauch einer einfachen Form von Sprache zu verdanken sein (…) Die höheren intellektuellen Fähigkeiten, wie das Schließen, Abstra­hieren, das Selbstbewußtsein usw., entstanden wahrscheinlich aus der be­stän­digen Vervollkommnung und Übung der anderen geistigen Fähig­keiten. (S. 255).

An anderer Stelle derselben Abhandlung schrieb Darwin:

Aber wie groß auch der Unterschied zwischen den Seelen der Menschen und der höheren Tiere sein mag, er ist doch nur ein gradueller und kein prinzipieller.

Wir haben gesehen, daß die Gefühle und Anschauungen, die verschiedenen Affekte und Fähigkeiten, wie Liebe, Gedächtnis, Aufmerk­samkeit, Neugierde, Nachahmungstrieb, Überlegung usw., deren sich der Mensch rühmt, in ihren Anlagen und manchmal auch in einem ziemlich entwickelten Zustand in den Tieren vorhanden sind. Sie sind auch einer gewissen vererblichen Vervollkommnung fähig, wie der Hund im Vergleich zu Wolf und Schakal beweist. (S. 156f)

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