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V  13   Der Mythos vom Selbstopfer Christi

 5.13.1.
Die herrschende Erzählung über die Entstehung des christlichen Mythos vom Opfer Christi lässt sich so zusammenfassen: In der

Patmos, Johanneskloster, Besucher
Patmos, Johanneskloster, Besucher

Ge­schichte sind immer wieder religiöse Genies aufgetreten, die den Menschen den Willen Gottes verkündeten: zum Beispiel in alten Israel der Gesetzgeber Mose und die Propheten.

Zur Zeitenwende trat Jesus von Nazareth auf und verkündete das Reich Gottes. Die Men­schen spürten die religiöse Kraft und die göttliche Weisheit in der Verkündi­gung Jesu und formulierten in den mythischen Vorstellungen ihrer Zeit, in denen sie befangen waren, die Idee, Jesus sei ein Gottessohn.

Als Jesus am Kreuz starb, glaubten sie, Gott habe den Gottessohn Jesus für ihre Sünden geopfert, so wie die Juden Passahlämmer für ihre Sünden opferten.

5.13.2.
Zur Entstehung des christlichen Mythos vertrete ich die folgenden The­sen: Jesus war als Stellvertreter des Fürsten Antipas für die einfachen Menschen eine gottgleiche Person. Man vergleiche dazu die Aussage Phil 2,6: Jesus, der in göttlicher Gestalt war, hielt es nicht für einen Raub, Gott gleich zu sein.

Die göttliche Gestalt und die Gottgleichheit Jesu sind nicht angemaßt, sie sind nicht nur Glaube der Gemeinde, sie sind zuallererst die Beschreibung einer sozialen Realität, einer sozialen Schicht, des Adels. Dieser sozialen Schicht gehörte Je­sus kraft Geburt und kraft des Amtes, das er als Statthalter ausübte, an.

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